23. Tag, Montag, 29.07.2013; Von Jerusalem zum Toten Meer/ Israel
Temperatur: 33° C,
Tagesstrecke: 116 km, Gesamtstrecke: 6.859 km, max. Geschwindigkeit: 107 km/h
BPI: 3,50
Sudden Death at the Dead Sea
Wir checken nach spartanischem Frühstück bei „Abraham“ aus, lassen unser Schwerlastgepäck dort und fahren mit der Straba auf den Mount Herzl, zur Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem – was übersetzt etwa heißt: Ein Denkmal zur Erinnerung an jeden Einzelnen. Eine gewaltige Anlage, teilweise in den Berg hinein gebaut, beeindruckend – und vor allem unglaublich bedrückend. Hier wird sie in allen Details vor Augen geführt – die Geschichte des Antisemitismus mit ihrem finalen, unfassbaren Höhepunkt in Nazideutschland: wie die nationalsozialistische Rassenlehre entwickelt und pseudowissenschaftlich auf das Judentum abgestellt wird, die perfiden Mechanismen der stetig zunehmenden Ächtung und Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung aus dem täglichen Leben über Berufsverbote, Enteignung, Schikane, Missachtung jeglicher Menschenrechte. Und man hätte wissen sollen, wie es endet. „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“: Heinrich Heine, jüdischer Schriftsteller, 1821.
Der Terror wird Schritt für Schritt verschärft. Mit der Eroberung der ersten Gebiete im Osten gibt es kein Halten mehr: Ghettoisierung und Arbeitslager, SS- und SA-Killerkommandos, die den Kampftruppen folgend systematisch morden und alle massakrieren, deren sie habhaft werden – die „Endlösung“, der industrielle Massenmord in den Konzentrationslagern, durchgeführt mit deutscher bürokratischer Gründlichkeit. „Wer diesen Ort einmal betreten hat, wird nichts davon zurück bringen – nicht einmal seine Asche“: Tadeusz Borowski, polnischer Insasse, KZ Auschwitz. Es ist nicht zu fassen wie das in unserem Land geschehen konnte.
Vom zentralen Busbahnhof aus fahren wir Richtung Totes Meer, 400 m unter dem Meeresspiegel. Wir wollen nach Masada, wo einst Herodes eine uneinnehmbare Festung auf einem Berg errichten ließ und man heutzutage mit einer Seilbahn auf das Gipfelplateau fahren kann. Dort wollen wir zum Sonnenuntergang hoch. Doch – es kommt alles ganz anders. Das Guest House am Fuße des Berges ist komplett ausgebucht und die letzte Seilbahn fährt um fünf. Auch zwei weitere unweit gelegene Guesthouses sind voll. Wir sitzen bei 45 Grad im spärlichen Schatten der Bushaltestelle in einer der unwirtlichsten Ecken der Welt, die Sonne brennt uns das Hirn weg und wir warten auf einen Bus, der nicht kommt. Das Tote Meer flimmert in der Hitze zwei Kilometer entfernt: Sudden Death at the Dead Sea!
Dann – eine Fata Morgana? Ein kapitaler Steinbock inspiziert lässig unseren provisorischen Lagerplatz und weidet die spärlichen Vegetationsreste ab. Wir beschließen gemeinschaftlich, dass dies doch keine Einbildung ist. Der Bock ist echt, riecht auch so. Nach dreieinhalb Stunden kommt endlich ein Bus nach En Boqeq – ein Heilkurort mit einem Dutzend Hotels direkt am Toten Meer. Zum Beach und kurz vor Sonnenuntergang noch ein Schwebebad im 30 Grad warmen Wasser, Salzgehalt 30 %, Tauchen verboten – Außentemperatur nach Sonnenuntergang immer noch 37 Grad. Improvisiertes Abendbrot mit Heißluftföhn aus den Bergen nebst Bar mit Kaltgetränken. Wir verbringen hier die Nacht oben ohne auf unseren Matten – und werden auch tatsächlich nicht von irgendwelchen Sicherheitskräften behelligt. Für Israel vollkommen unwirklich.
„Die Zehn“